Bennis Welt

Pirat, Physiker, Free Software Nerd

Archive for April 2nd, 2005

Europa Parlament Korrespondenz

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Mein Brief an mehrere bayerische Abgeordnete:

Sehr geehrter Herr [Name],

ich wende mich in dieser Angelegenheit direkt an Sie, da ich von anderen Stellen keine Antwort erwarte.

Kurz zu mir, ich bin 20, studiere Physik in Augsburg und hatte eigentlich vor danach ein IT Unternehmen zu gründen, das vorrangig mit Open Source arbeiten würde. Dieses Vorhaben kann ich dank unserer tollen Politik endgültig begraben. Das so mit meiner Zukunft und vieler meiner Freunde hantiert werden würde, hätte ich nicht für möglich gehalten. Das Geld für Patente kann und werde ich nie aufbringen können, deswegen bin ich gegenüber Großunternehmen stark benachteiligt. Desweiteren schätze ich (Trivial-)Patente wie sie durch die momentane Version ermöglicht werden für innovationshemmend und nicht für innovationsfördernd.

Nachdem Deutschland (insbesondere Herr Clement) am 7.3 im Europarat versagt hat und sich nicht hinter den Willen des deutschen Volkes (sprich die Entscheidung des Parlaments) in der Softwarepatentfrage gestellt hat, bin ich zutiefst enttäuscht. Mein Demokratieverständnis ist völlig zerstört worden und ich habe das Vertrauen in die Politik annähernd verloren.

Ich bitte Sie deshalb in der zweiten Lesung für weitreichende Änderungen zu stimmen und somit für die Demokratie und die Verantwortung des Parlaments zu stimmen, da sonst der nicht demokratisch gewählte Rat die Gesetze machen würde und nicht die demokratischen Vertreter.

Mir geht es nicht darum die Patentrichtlinie zu „beerdigen“ sondern denTechnizitätsbegriff stärker auszubauen, wie es das EU-Parlament im ursprünglichen Entwurf ja eigentlich vorgesehen hätte.

Vielen Dank
Benjamin Lebsanft

Antwort von Herrn Ferber:

Sehr geehrter Herr Lebsanft,

vielen Dank für Ihr Schreiben in dem Sie sich zur Frage der Patentierung von computerimplementierten Erfindungen äußern.

Moderne Erfindungen stützen sich zunehmend auf Computerprogramme, die nicht von jeglichem Schutz ausgenommen werden können. Um einer uneinheitlichen Rechtspraxis in den einzelnen Mitgliedstaaten vorzubeugen, bedarf es daher auf diesem Gebiet grundsätzlich einer gemeinschaftlichen Regelung. Allerdings ist der Richtlinienvorschlag der Kommission heftig umstritten.

Erst Anfang März hat der Rat in der Zusammensetzung der Wirtschaftsminister den Gemeinsamen Standpunkt angenommen. Die Entscheidung ist jedoch denkbar knapp ausgefallen und mehrere Mitgliedstaaten knüpften ihre Zustimmung gar an die Bedingung, den Entwurf in entscheidenden Punkten nachzubessern. Damit stellt sich der Rat klar gegen die Position des Europäischen Parlaments, dessen Rechtsausschuss bereits Anfang Februar die Wiederbefassung in erster Lesung verlangt hat.

Als nächsten Schritt wird sich nun das Europäische Parlament mit dem Vorschlag in zweiter Lesung befassen. Auch hier gehen die Meinungen der Abgeordneten weit auseinander und es ist vorhersehbar, dass der Richtlinienvorschlag noch weiter abgeändert wird. Die Haltung der im Rat vertretenen Regierungen ist für das Europäische Parlament inhaltlich so nicht hinnehmbar. Zudem ist die Missachtung der Beschlüsse des Parlaments durch die Ratsentscheidung eine offene Kampfansage. Das Parlament hat nun die Aufgabe, im Interesse der europäischen Bevölkerung den Vorschlag zu bearbeiten und dem Wählerwillen Gehör zu verschaffen.

Ich werde mich in meiner parlamentarischen Arbeit persönlich dafür einsetzen, dass auf europäischer Ebene ein ausgewogenes System der Patentierbarkeit etabliert wird.

Mit freundlichen Grüßen

Markus Ferber, MdEP

Antwort von Herrn Friedrich:

Sehr geehrter Herr Lebsanft,

vielen Dank für Ihr Schreiben vom 13. März 2005, in dem Sie sich sehr kritisch zu der geplanten Software-Patente-Richtlinie äußern.

Lassen Sie mich zuerst darlegen, welche Ziele eine solche Richtlinie, die die Patentierung von Software regelt, verfolgen könnte.

Grundsätzlich bedarf die patentrechtliche Behandlung computerimplementierter Erfindungen einer gemeinschaftsweiten Regelung. Moderne Erfindungen stützen sich zunehmend auf Computerprogramme. Diese Innovationen können nicht von jeglichem Schutz ausgenommen werden. Der Schutz des geistigen Eigentums kann in solchen Fällen einerseits durch die Erteilung eines Patents auf die Erfindung, andererseits durch den Kopierschutz des Urheberrechts erreicht werden. Jedoch ist die Abgrenzung schwierig. Das hat zu einer uneinheitlichen Rechtspraxis in der Europäischen Union geführt. Während das Patentamt eines Mitgliedstaats auf eine bestimmte Erfindung ein Patent erteilt hat, wurde das von den zuständigen Stellen eines anderen Mitgliedstaates verweigert. Das ist nicht hinnehmbar in einem Binnenmarkt.

Die Kommission hat vorgeschlagen, das Patentrecht in diesem Feld zu harmonisieren. Ziel ist eine möglichst einheitliche Rechtsanwendung durch Patentämter und -gerichte innerhalb des Binnenmarktes.

Dabei wird keine generelle Patentierung von Software ermöglicht. Voraussetzung für die Patentierbarkeit soll hingegen das Vorliegen eines „technischen Beitrags“ sein. Das ist bei reiner Software nicht der Fall. Es wäre andererseits auch nicht gerechtfertigt, einer Erfindung nur deshalb die Patentierung zu versagen, weil sie EDV-Elemente beinhaltet. Damit folgen wir bewusst nicht der US-Praxis. Dort haben die Patentämter selbst für computergestützte Geschäftsmethoden Patente erteilt. Das wollen wir nicht.

Deshalb wollen wir im Europäischen Parlament juristisch sicherstellen, dass reine Software nicht patentiert werden kann. Problematisch hierbei ist die Position des Ministerrates. Der Rat ist eigenständiges Beschlussorgan der EU. In ihm sind die Mitgliedstaaten vertreten. Der Rat hat die Möglichkeit, eine andere Position als das EP einzunehmen. Im Gesetzgebungsverfahren kann das EP selbst wiederum Änderungen am Standpunkt des Rates vornehmen. Inzwischen hat der Rat bereits Geschäftsmethoden für sich von der Patentierbarkeit ausgenommen. Jegliche Patentierbarkeit setzt zudem einen technischen Beitrag voraus, der nicht schon aus der Verwendung eines Computers oder Computernetzes ableitbar ist.

Sollten sich Rat und EP nicht einigen, käme keine Richtlinie zustande. Es bliebe dann bei der aktuellen „Rechtszersplitterung“. Mit einer Richtlinie, die dem entgegentritt, könnte diese Entwicklung in Europa aufgehalten werden. Wenn der Rat die Vorstellungen des Parlaments nicht übernimmt, muss das Parlament meines Erachtens die Richtlinie allerdings ablehnen.

Abschließend kann ich Ihnen versichern, dass die CDU/ CSU alles tun wird, damit die Interessen der kleinen und mittleren Unternehmen im weiteren Verlauf gebührend berücksichtigt werden.

In der Hoffnung, Ihnen weitergeholfen zu haben, verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen

Dr. Ingo Friedrich, MdEP

Vizepräsident des Europäischen Parlaments

Antwort von Lissy Gröner:

Sehr geehrter Herr Lebsanft,

vielen Dank für Ihre E-Mail, in der Sie sich kritisch zu den Entwicklungen bezüglich des Richtlinienentwurfs zu Softwarepatenten äußern.

Wir, die Sozialdemokratische Partei Europas im Europäischen Parlament, forderten, dass der gesamte Prozess neu aufgerollt wird und die EU-Kommission ihren ursprünglichen Vorschlag, mit dem sie eine Ausweitung und Vereinheitlichung der Patente vorsieht – wie es sich vor allem die großen Branchenkonzerne wünschen – , zurück nimmt und daraufhin einen neuen Entwurf vorlegt, mit dem die Bedürfnisse kleiner Software-EntwicklerInnen besser berücksichtigt werden.

Diesen Neustart des Gesetzgebungsverfahrens hatte der Rechtsausschuss am 2. Februar 2005 auf Antrag Maria Bergers, SPE-Koordinatorin im Rechtsausschuss, mit großer Mehrheit gefordert. Dabei hätten neue konstruktive Vorschläge der EU-Kommission bereits vorweg auf ihre Auswirkungen, insbesondere auf kleinere Software-AnbieterInnen, untersucht werden müssen. Damit möchten wir SozialdemokratInnen eine Europäische Union des Wohlstands, der Vielfalt und der Solidarität auch in der Software-Branche gewährleisten. Außerdem hätte es ein Neustart erlaubt, die offensichtlich versäumten Konsultationen mit den neuen Mitgliedstaaten nachholen zu können.

Leider lehnte die EU-Kommission es gegen den klaren Willen des EU-Parlaments ab, die Richtlinie zurück zu ziehen und so den Gesetzgebungsprozess neu zu starten. Im Folgenden fand der Ministerrat am 7. März 2005 einen Gemeinsamen Standpunkt als A-Punkt zur höchst umstrittenen Softwarepatent-Richtlinie.

Nun wird das Europäische Parlament versuchen, jene Entschärfungen des Kommissionsvorschlages durchzusetzen, welche in erster Lesung beschlossen wurden und so seinen Standpunkt der 1. Lesung erneut bekräftigen. Dafür macht sich die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Europas mit ihrem parlamentarischen Berichterstatter zur Software-Richtlinie, Michel Rocard, stark. Die 2. Lesung wird voraussichtlich vor der Sommerpause dieses Jahres abgeschlossen sein.

Bei weiteren Fragen möchte ich Sie bitten, sich an den Berichterstatter zu wenden.

Mit freundlichen Grüßen

Lissy Gröner, MdEP

Written by benniswelt

April 2, 2005 at 07:27

Veröffentlicht in Main